Der Mensch als soziales Wesen

Adam Smith und nach ihm viele andere wissenschaftlich arbeitende Menschen haben sich aus der Sicht der Philosophie, der Psychologie, der Soziologie, der Pädagogik, um nur einige zu nenne mit dem „sozialen Wesen Menschen“ befasst. Der Mensch als soziales Wesen ist unumstritten, da er nur in seinem sozialen Umfeld und Verhalten lernen kann. Das erfordert schon allein die Gehirnstruktur und die hier erzeugten Neurotransmitter. Wir lernen in erster Linie durch die Spiegelneuronen und unsere Sinne. So ist der soziale Kontakt auch von größter Wichtigkeit für die Produktion von Neurotransmittern/Botenstoffen in unserem Gehirn. In der Interaktion mit anderen Menschen produziert unser Gehirn z. B. Oxitozien als einen Stoff, der unser Wohlbefinden steuert und in Verbindung mit Dopamin und Serotonin einen Glückscocktail entstehen lässt. Wir lernen und denken u.  a. in den Bereiche des IQ (Intelligenzquotient), EQ (emotionale Intelligenz), SQ (spirituelle Intelligenz), BQ (Bodyintelligenz) und einige mehr könnten noch benannt werden. Sind wir hier in einem Bereich unterentwickelt oder vernachlässigen ihn irgendwann einmal selber, so hat das zwangsläufig Konsequenzen für unser weiteres Leben, für unsere Ziele und unseren Erfolg und letztlich auch unser ganz persönliches Wohlbefinden.

Im Verlaufe der gesellschaftlichen Entwicklung hat sich in den letzten Jahrzehnten allerdings das soziale Wesen des Menschen verändert. Neben der Notwendigkeit des Lebens in einem sozialen Umfeld haben wir eine Veränderung hin zur Abhängigkeit von Anerkennung entwickelt. Für diese Anerkennung gehen wir soziale Beziehungen ein. Allerdings geht es hier in erster Linie unbewusst um die Anerkennung und dann erst den sozialen Kontakt.

Soziales Verhalten als Urinstinkt

Erblicken wir als kleines unbeholfenes Wesen das Licht der Welt, sind wir ganz einfach auf unsere Eltern oder wenigstens die Mutter angewiesen. Neben der Wärme und Zuneigung benötigen wir auch Nahrung. Unsere Gehirnstruktur ist so organisiert, dass wir durch abschauen, imitieren und kopieren lernen – die Spiegelneuronen. Als Kinder machen wir einfach nach. Dabei fehlt uns natürlich die Fähigkeit zu unterscheiden, was förderlich ist und was nicht. Wir nehmen einfach bewusst und in der Hauptsache unbewusst alles das auf, was wir sehen und hören.

Machen wir uns bewusst, dass im Verlaufe eines Tages nur ca. 15 % (eher noch weniger) des gesamten Denkens und Handelns einschließlich der Reaktionen eines erwachsenen Menschen bewusst geschehen (80 – 85 % demnach unbewusst als Handeln im Affekt auf Grund von erworbenen Reaktionsmustern) so werden durch Kinder auch alle die Informationen aufgenommen und verarbeitet, die Erwachsene auf Grund reiner Reaktionsmuster Preis geben.

Wandel zum Narzissmus

Unser soziales Verhalten hat sich auf Grund unserer gesellschaftlichen Entwicklung insgesamt einem ganz persönlichen Narzissmus untergeordnet. Wir sind immer auf der Suche nach Anerkennung, wir sind von ihr abhängig. Wir wollen sie von den Menschen über uns genauso bekommen, wie von den Menschen unter und neben uns. Ursache dafür ist ein ständiges Mangelempfinden. Wir haben entsprechend der beiden Hauptängste Angst vor Minderwertigkeit und Angst davor, was andere Menschen über uns denken, eine Abhängigkeit von Anerkennung entwickelt, die einer Paranoia gleicht.

Woher kommen aber diese Angst und dieses Denken? So, wie wir als Kinder haben auch schon unsere Eltern als Kinder nicht einfach SEIN dürfen, sondern es geht immer darum, sich in seinem Verhalten den Forderungen der Erwachsenen anzupassen. Dabei sind Erwachsene selber EGOisten, die dem Kind ihre ganz persönlichen Normen und Werte überhelfen wollen. Sie denken in diesem Prozess nicht an ihre Kindheit zurück, an die Verletzungen, die sie erfahren und empfunden haben, weil ihre Eltern ebenso gehandelt haben, wie sie heute. Sie denken auch nicht daran, was Worte oder Taten in dem Körper des Kindes auslösen. Es geht ihnen ausschließlich um ihre Werte, ihre Vorstellungen von Recht, Ordnung und Disziplin und die Kompensation eigener (Verlust)Ängste. Dabei sind eben diese Erwachsenen nichts anderes, als der Spiegel der Gesellschaft, die Außenorientierung ist von der Gesellschaft, der Marktwirtschaft gewollt.

Kinder sind auf die Anerkennung und Zuneigung der Erwachsenen angewiesen. Sie wollen geliebt werden, den Schmerz von Trennung vermeiden. Kinder haben in einem Konflikt mit Erwachsenen nicht die Fähigkeit, zu erkennen, wo die Ursache liegt. Sie beziehen alles auf sich, sind nicht in der Lage, an den Fähigkeiten der Eltern zu zweifeln – das verbietet die Elternliebe – sondern zweifeln immer an sich. Dieser Selbstzweifel führt dazu, alles „richtig“ machen zu wollen, dem immer wertenden sozialen Umfeld zu gefallen.  Dass jeder Mensch andere Vorstellungen von „richtig“ hat, können wir gar nicht erkennen. Auf Grund dieses Subjektivismus in den Anforderungen versuchen Kinder immer mehr, sich den unterschiedlichsten Anforderungen Erwachsener anzupassen. Das ist eine Vielzahl von Personen, neben den Eltern die Lehrer in der Schule, die Geschwister, die Großeltern und wer sonst alles noch glaubt, Einfluss nehmen zu müssen. Durch dieses fordernde  Verhalten der Erwachsenen werden Kinder zu Chamäleons, die sich der Situation, um zu gefallen anpassen wollen/müssen.

Der subjektive Mangel, den wir empfinden sorgt somit dafür, dass wir innerlich leiden, einen Schmerz empfinden, wenn unsere Vorstellungen von Anerkennung nicht erfüllt werden. Da wir es im Laufe unserer Erziehung auch verlernt bekommen haben, erwartungsfrei zu sein, sind wir natürlich auf Grund dieser Haltung auch immer wieder von dem enttäuscht, was wir von anderen Menschen bekommen. Eltern wünschen sich zumeist Kinder, die so sind, wie sie sie sich vorstellen, darauf läuft Erziehung hinaus. Kinder müssen Eltern so nehmen, wie sie sind, zumindest bis sie erkennen, ob ihnen ihre Eltern gut tun oder sie in der Selbstwerdung behindern.

Die seit einigen Jahren anhaltende Art der Gestaltung sozialer Beziehungen ist dem Prozess der Individuation des Menschen einerseits und den sozialen Beziehungen andererseits abträglich. Wir haben es vollständig verlernt bekommen, bzw. gar nicht erst gelehrt bekommen, uns in unseren sozialen Kontakten auf unsere inneren Werte zu beziehen und auf diese zu verlassen. Wir sind vollständig nach Außen orientiert.

Die Wendung nach Außen

Wir selber tun alles dafür, um Anerkennung (besser formuliert BEWUNDERUNG) von anderen Menschen zu bekommen, sei es wegen unseres Aussehens, unserer Kleidung, unserer beruflichen Position, unserem Haben in Form von Geld, Haus, Auto, oder anderen Statussymbolen oder auch unserem Auftreten. Es ist eine Form von Narzissmus. Der Umgang der Menschen untereinander ist auch genau von diesen Inhalten geprägt. Wir nehmen andere Menschen in aller Regel auch nur wahr, wenn sie auffallen, was auch immer in dem Moment in unserem Fokus steht.

So hat sich der Mensch als soziales Wesen, das Kontakt braucht, um zu lernen und geistig zu wachsen zu einem Wesen entwickelt, das den sozialen Kontakt nur noch benutzt, um Bewunderung und Anerkennung wegen Besonderheit zu erlangen.  Ursache hierfür ist ein stark ausgeprägter Mangel an Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein und Authentizität. Diesen Mangel versuchen wird durch die Medien und die Industrie gesteuert, durch maßlose Konsumtion zu kompensieren. Die in der Maslowschen Bedürfnispyramide dargestellte 5 Stufe der Selbstverwirklichung haben wir entartet im Sinne von absoluter Konsumtion. Maslow selber verstand darunter noch die Selbstverwirklichung im Sinne von SEIN und nicht von Haben. Heute betrachten wir uns und andere Menschen nur noch dann als wertvoll, wenn wir und sie etwas haben, aber wehe, sie haben mehr, als wir…

In dem Zusammenhang eine kurze Begriffserklärung. Wir sprechen immer von dem Individuum und der Individuation. In unserer Gesellschaft sind allerdings beide Begriffe für die gelebte Praxis nicht zutreffend. Das „Individuum“ beschreibt nämlich ein Wesen, das sich mit allem, also mit anderen Menschen, der Natur im Sinne der Pflanzen- und Tierwelt und dem Universum verbunden fühlt. Individuation beschreibt also im eigentlichen Sinne die zunehmende Verbindung zu diesen Naturbestandteilen. Die Realität ist, dass der Mensch als Individuum sich immer weiter zurück zieht, sich von anderen Menschen abkapselt, keinen wirklichen Kontakt im Sinne von Beziehungen (nicht Vitamin „B“) zu anderen Menschen oder gar Bindungen eingeht. In diesem Sinne hat sich auch die Individuation in ihr Gegenteil verkehrt, nämlich den Prozess der Vereinzelung.

Mögliche persönliche Veränderung

Der Weg heraus aus diesem persönlichen und gesellschaftlichen Dilemma ist eine Stärkung des Selbstbewusstseins (nicht im Sinne von EGO). Sich seines SELBST BEWUSST SEIN. Der Erziehungsprozess hat aus den meisten Menschen einfach nur billige Kopien einer Kopie gemacht, fremd gesteuert, abhängig von der Anerkennung durch anderen Menschen, konsumfixiert, sowie emotions- und leidenschaftslos, vielfach dem vergleichbar, was als Autismus bezeichnet wird.

Die Aufgabe für den Einzelnen ist die Frage danach, wer ich bin, was der Sinn meines eignen Lebens ist, welche Aufgaben ich persönlich zu lösen habe und welche Ziele ich erreichen will. Individuation bedeutet das ICH im Sinne von SELBST und nicht das ICH als Kopie im Sinne von EGO. Individuation ist der Weg hin zu verantwortungsvollem Umgang mit sich selbst, den persönlichen Ressourcen, der Umwelt und der Verbundenheit mit allem, was ist.